Staatssekretärin Elke Zimmer diskutiert in Ravensburg mit Verkehrsexpert*innen
Wie kann der Verkehrssektor seinen Beitrag zur Senkung des CO2-Ausstoßes leisten? Elke Zimmer, (Grüne), Staatssekretärin im Verkehrsministerium in Stuttgart, gibt das Ziel vor: „Wir müssen die Fahrgastzahlen verdoppeln“. Wie das auf lokaler und regionaler Ebene umgesetzt werden kann, darüber diskutierte die Fachfrau auf Einladung ihres Fraktionskollegen, Minister Manne Lucha, mit Expert*innen in Ravensburg.
Lucha hatte überparteilich Fachleute aus der Region eingeladen, so etwa den Waldburger Busunternehmer und CDU-Kreisrat Bernd Grabherr, der auch Geschäftsführer des Regionalverkehrs Oberschwaben (RBO) und damit der privaten Busunternehmen im BODO ist, die Bad Waldseer Busunternehmerin und grüne Kreisrätin Elke Müller, Dr. Andreas Honikel-Günther, Landratsstellvertreter, oder auch seinen Landtagskollegen August Schuler (CDU), Stadtrat, Landtagsabgeordneter und Mitglied des Verkehrsausschusses des Landtags.
Dr. Andreas Thiel-Böhm, Geschäftsführer der TWS (Technischen Werke Schussental), in deren Gebäude am Bahnhof die Expert*innen zusammengekommen waren, brachte das Grundproblem und den überparteilichen Konsens schnell auf den Punkt: „Ins System muss frisches Geld.“ Ein Ausbau des öffentlichen Verkehrs, ein Zurückdrängen des Motorisierten Individualverkehrs (MIV), wie die Fachleute sagen, das gehe nur mit mehr Geld. „Klar kann man den Takt der Buslinien erhöhen und die Tickets gleichzeitig billiger machen, dann habe ich auch mehr Leute im Bus. Aber wirtschaftlich ist das damit noch nicht“, sagte Thiel-Böhm. Woher soll das Geld kommen? Staatssekretärin Zimmer sieht den Bund, das Land und die Kommunen in der Pflicht. Claus Kessel, Vorsitzender der grünen Gemeinderatsfraktion in Weingarten, warnte: „Wenn wir künftig als Kommune mehr für den Nahverkehr geben müssen, müssen wir an anderer Stelle etwa wegschneiden“.
Elke Zimmer kritisierte genauso wie Landesverkehrsminister Winfried Hermann die Idee der Koalition in Berlin, ein 9-Euro-Ticket zur Entlastung der Steuerzahler*innen einzuführen: „Das ist nicht zu Ende gedacht. Ich wäre viel eher für ein Sozialticket“. Sie hält auch nichts von kostenlosem Nahverkehr, denn: „Den ÖPNV gibt es eben nicht umsonst“.
Die Diskussion ums Geld ist da, aber sie würgt die Initiativen in der Region nicht ab. Die TWS etwa spezialisiert sich auf sogenannte On-Demand-Verkehre, zu deutsch auf den „Bus auf Bestellung“. Im Dezember soll es in Ravensburg losgehen. Auch die Räume Kißlegg und Altshausen werden daraufhin untersucht, ob der Bus auf Bestellung dort das Angebot verbessern kann. Der neu gegründete „Interessenverband Bodo-Ringzug“ hat im März seine Arbeit aufgenommen. Sein Ziel: Umsteigefreie Schienen-Direktverbindungen zwischen dem württembergischen Allgäu, dem Mittleren Schussental und dem Bodenseeufer. Am besten natürlich elektrifiziert. In 18 Monaten sei die Machbarkeitsstudie fertig, kündigte Erster Landesbeamter Honikel-Günther an.
Gerade beim regionalen Schienenverkehr sind die Baustellen noch gewaltig, darin waren sich die Anwesenden einig. Wenige Tage vor dem Fachgespräch hatten alle Fahrgastverbände der Bodenseeregion zu einer Rundreise anlässlich „100 Tage Elektrifizierung der Südbahn“ auf der Süd- und Allgäubahn eingeladen. Die Reise endete vorzeitig und ziemlich peinlich: Anschluss verpasst. Und zwar gleich mehrmals. Uli Bauer, Mitglied der GOL-Fraktion im Wangener Gemeinderat und für die Grünen Mitglied der Verbandsversammlung des Regionalverbands, zeigte denn auch genau die Schwächen der „Problemstrecke“ Aulendorf-Kißlegg auf. An beiden Enden gebe es „systematische Anschluss-Fehlleistungen“, die zu einer „massiven Beeinträchtigung“ der Querverbindung Sigmaringen-Memmingen führen würden. Dabei, so Bauer, „ist das eine unproblematisch zu elektrifizierende Strecke“.
Ganz anders sehe es bei den neuen Regio-Buslinien aus, die „ungeahnte Mobilitätsmöglichkeiten“ brächten. Da war sich Bauer mit der Staatssekretärin und Landrats-Stellvertreter Honikel-Günther einig. Diese Linien würden auch gut akzeptiert, sie seien attraktiv.
Aber insgesamt habe der öffentliche Nahverkehr nach wie vor ein Akzeptanz-Problem, so RBO-Geschäftsführer Bernd Grabherr. „Wir haben eben noch keine ÖPNV-Kultur hier“. Es sei nicht schick, mit dem Bus zu fahren. Bei der „Rad-Kultur“; so die Staatssekretärin, sei das mittlerweile anders. Ihr Ministerium werde deshalb verstärkt auf eine Kampagne für die Nahverkehrs-Kultur setzen.
Wer den öffentlichen Verkehr attraktiver machen will, der müsse das Angebot verbessern. Aber das reiche nicht, ist Maria Weithmann überzeugt, die Vorsitzende der Grünen Gemeinderatsfraktion in Ravensburg, die die Diskussion mit Elke Zimmer moderierte. Man müsse auch den motorisierten Individualverkehr unattraktiver machen. Oder einfacher gesagt: Es kann nicht sein, dass es billiger ist, mit dem Auto statt mit dem Bus in die Stadt zum Einkaufen zu fahren.Weithmann setzt auf zahlreiche Maßnahmen, die ihre Fraktion alle schon ins Gremium eingebracht habe. Parkraumbewirtschaftung und Mobilitätspass etwa gehören dazu. Mit dem Mobilitätspass soll den Kommunen gesetzlich die Möglichkeit geboten werden, zusätzliche Mittel für den für die ambitionierten Ausbauziele des ÖPNV zu generieren und Anreize zu setzen, die Straßen in den Städten und Gemeinden vom Autoverkehr zu entlasten. So kann eine Kommune zum Beispiel Mobilitätsgebühren erheben und im Gegenzug ein stark verbilligtes Ticket für den Nahverkehr anbieten. Weithmann: „Die laufenden Pilotprojekte und Versuche sind zu begrüßen. Aber wir können auch hier vor Ort, in unserer Kommune und in unserer Region, jetzt schon ganz konkrete Maßnahmen ergreifen, von denen wir wissen, dass sie unmittelbar wirken und die Verkehrswende nach vorne bringen. Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch. Ich wünsche mir da mehr Mut in den Kreistagen und Gemeinderäten“.