Während in Baden-Württemberg die Infektionszahlen glücklicherweise wieder sinken, stehen wir mit den neuen Virusmutanten vor neuen schwierigen Herausforderungen. Daher müssen wir jetzt frühzeitig handeln, um gegenüber dem Virus wieder in den Vorteil zu kommen.
Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat heute in einer Regierungsinformation im Landtag die Ergebnisse der Beratungen von Bund und Ländern vom vergangenen Dienstag und deren Umsetzung in Baden-Württemberg vorgestellt. Er warb eindringlich bei den Abgeordneten dafür, den Weg bei der weiteren Bekämpfung der Corona-Pandemie mitzugehen.
Er sprach von einem sichtbaren und unsichtbaren Teil der Pandemie. „Die sichtbare Entwicklung ist positiv“, so Ministerpräsident Winfried Kretschmann zu Beginn seiner Regierungsinformation. Weihnachten und Silvester hätten nicht zu einer massiven Steigerung der Infektionszahlen geführt, die 7-Tage-Inzidenz habe sich in den vergangenen Wochen in Baden-Württemberg halbiert und die Zahl der Patientinnen und Patienten in den Krankenhäusern beginne langsam zu sinken.
Der Lockdown wirkt
„Zusammengefasst: Der Lockdown wirkt, unsere Anstrengungen zahlen sich aus“, fasste Kretschmann die erfreulicheren Nachrichten zusammen.
Als unsichtbaren Teil der Pandemie bezeichnete der Ministerpräsident die neuen Virusmutationen. Hier würden sich die anfänglichen Befürchtungen immer mehr verfestigen. „Die Mutationen sind sehr viel ansteckender als das bisherige Virus. Sie sind schon bei uns im Land angekommen und werden sich auch bei uns ausbreiten“, mahnte Kretschmann. Die Frage sei nicht, ob sich die Mutanten hier verbreiten, sondern wann und wie stark.
Kretschmann verwies auf die Entwicklungen in Großbritannien und Irland, wo sich die Inzidenzen binnen vier Wochen verzwanzigfacht haben und erinnerte an die dramatischen Fernsehbilder von den Krankenhäusern in diesen beiden Ländern.
Die Mutanten bedrohen unsere Erfolge
„Wenn die Mutationen um rund 40 Prozent ansteckender wären, würde das bedeuten, dass der R-Wert von 0,8 auf 1,1 springt, ohne dass wir unser Verhalten ändern“, so Kretschmann. Dieselben Beschränkungen, die zuvor zu einer exponentiellen Senkung der Infektionszahlen geführt hätten, würde dann zu einer exponentiellen Steigerung führen und letztlich zu einer völligen Überlastung unseres Gesundheitssystems. „Deshalb müssen wir die Chance nutzen, die wir jetzt noch haben. Wir müssen vorsorgen und vor die Lage kommen. Wir müssen versuchen, die exponentielle Verbreitung der mutierten Viren im Keim zu ersticken. Und das bedeutet, dass wir die Zahlen noch schneller senken müssen als bisher. Nur so können wir die Verbreitung der neuen Virusvarianten eindämmen. Alles andere wäre unverantwortlich“, beschrieb Kretschmann die aktuelle Situation.
Daher haben sich Bund und Länder am 19. Januar auf weitere Beschränkungen geeinigt. Viele der beschlossenen Regelungen sind dabei bereits in Baden-Württemberg schon länger in Kraft. So gilt ab Samstag eine verschärfte Maskenpflicht beispielsweise beim Einkaufen und im öffentlichen Verkehr. Hier müssen künftig medizinische Masken getragen werden. Die Bundesregierung wird Homeoffice – wo es möglich ist – verpflichtend machen. Dort, wo Anwesenheit im Betrieb zwingend erforderlich ist, müssen die Arbeitgeber den Beschäftigten medizinische Masken stellen. Die Maskenpflicht am Arbeitsplatz gilt dagegen in Baden-Württemberg schon seit längerer Zeit.
Mehr Informationen zu den Beschlüssen von Bund und Ländern vom 19. Januar 2021
Weiteres Vorgehen bei Grundschulen und Kitas
Die größten Punkte bei seiner Regierungsinformation waren aber die Themenfelder Grundschule und Kita sowie die Impfstrategie des Landes Baden-Württemberg.
Bei Schulen und Kitas ginge es im Wesentlichen um zwei Dinge: um die Folgen für das Infektionsgeschehen, aber auch für Kinder und Jugendliche. Es gelte immer die Maßgabe, dass eine Öffnung epidemiologisch verantwortbar sein müsse.
„Ich habe mich intensiv beraten lassen und in den vergangenen Monaten und Wochen zahlreiche Gespräche geführt, mit Virologen, Epidemiologen, Modellierern, Lehrerinnen und Lehrern, Kinderärzten und -psychologen“, sagte Kretschmann in seiner Regierungsinformation. Die Schließungen von Kitas und Schulen setzten Eltern und gerade die Alleinerziehenden enorm unter Stress setzen. Sie müssten Home Schooling und Beruf unter einen Hut bekommen – das zehre bei vielen Familien gewaltig an den Nerven.
Schwierige Abwägungen
„Zugleich leiden die Kleinsten am allermeisten darunter, wenn sie nicht mit anderen Kindern in Kontakt kommen. Sie brauchen andere Kinder wie der Fisch das Wasser. Sie brauchen sie, um sich zu entwickeln und zu wachsen. Und – und das ist äußerst wichtig – je länger wir schließen, umso stärker leiden sie“, beschrieb er die Situation „Und deshalb wäge ich hier auch nicht mit der Viehwaage ab, sondern mit der Goldwaage! Mit diesem Maßstab setze ich den Beschluss von Bund und Ländern um, Schulen und Kitas grundsätzlich geschlossen zu halten oder die Präsenzpflicht weiter auszusetzen“, machte Kretschmann deutlich.
Deshalb blieben alle weiterführenden und beruflichen Schulen geschlossen, Ausnahmen für Abschlussklassen gebe es weiterhin. Die Präsenzpflicht bliebe ausgesetzt, auch wenn man den Grundschulen eine Öffnungsperspektive geben wollen. Und auch für die Kitas schaffe man eine Öffnungsperspektive.
„Allerdings nur in Abhängigkeit von der epidemiologischen Lage!“, machte Kretschmann deutlich. Wie ernst man dabei die epidemiologische Lage nehme, habe man die vergangene Woche gezeigt . Als die Lage noch ein wenig unsicher und noch kein klarer Abwärtstrend war, habe er konsequenterweise gegen eine Öffnung entschieden.
Kein Öffnen auf einen Schlag, sondern vorsichtig und verantwortlich
„Im Gegensatz zu sehr vielen anderen Bundesländern, deren Grundschulen und Kitas jetzt bereits geöffnet sind. Auch hier zeigt sich unsere Vorsicht. Dasselbe Prinzip gilt auch dieses Mal: Wir geben den Kitas und Schulen eine Öffnungsperspektive, aber wir öffnen nur dann, wenn die epidemiologische Lage es in der kommenden Woche erlaubt und sich der gegenwärtige Abwärtstrend klar fortsetzt“, so Kretschmann im Landtag.
Wenn es die epidemiologische Lage es erlaube, würde man auch öffnen. Dabei müsse niemand sein Kind in die Kita oder in die Grundschule schicken, der oder die das nicht wolle. „Grundschulkinder, die zu Hause bleiben, erhalten auch nach einer möglichen Öffnung ihre Lernmaterialien. Diese Materialien sind identisch mit dem Unterrichtsangebot in der Schule. Für alle, die ihr Kind dagegen in die Grundschule schicken wollen, streben wir eine behutsame und schrittweise Öffnung ab dem ersten Februar an“, machte der Ministerpräsident klar.
Dabei gehe man nicht mit der Brechstange vor, sondern mit größter Vorsicht und Umsicht. Kretschmann nannte genaue Voraussetzungen, unter denen Grundschulen öffnen dürften:
„Es darf nur schrittweise geöffnet werden und es darf höchstens die Hälfte einer Klasse zur selben Zeit unterrichtet werden. Denn wenn nur die Hälfte der Kinder im Klassenzimmer ist, heißt das: nur die Hälfte kann potentiell Überträger sein, aber eben auch nur die Hälfte anstecken. Das bedeutet im Ergebnis eine Viertelung des Infektionsgeschehens – denn 0,5 mal 0,5 ergibt 0,25. Das hat uns die Expertenrunde vor der Ministerpräsidentenkonferenz nochmals eindrücklich verdeutlicht“, steckte Kretschmann die Rahmenbedingungen ab. Zudem werde das Kultusministerium das Hygienekonzept weiterentwickeln.
Dazu gehöre, dass den Lehrkräften der Grundschule virenfilternde Masken zur Verfügung gestellt bekommen.
Die Faschingsferien ab dem 15. Februar 2021 werde die Landesregierung als Prüffenster nutzen, um genauestens nachzuvollziehen, wie sich die Infektionslage aufgrund der Öffnungen entwickelt hat.
Baden-Württemberg hat auf die richtige Strategie gesetzt
Kretschmann verteidigte in der Regierungsinformation die Impfstrategie des Landes. Jetzt schon anhand von Ranglisten, die sich im Promille-Bereich unterscheiden, die Impfstrategie des Landes zu bewerten, sei mehr als fraglich. Statt sich schnell auf die ersten Plätze zu katapultieren, agiert das Land in Sachen Impfung verantwortungsvoll und verlässlich.
„In Baden-Württemberg halten wir von Beginn an konsequent die Hälfte der Impfdosen zurück, während andere Länder einen größeren Teil des Impfstoffs sofort verimpfen“, brachte Kretschmann die derzeitige Strategie auf den Punkt. „Wir tun das, weil es eben nicht nur die Erstimpfung braucht, um einen vollen Impfschutz zu gewährleisten – sondern es braucht zwingend noch die zweite Impfung. Die zweite Impfung ist kein Nice-to-have, sie ist zwingend für den vollständigen Schutz.“
Sie sei aber nicht nur zwingend, weil der Einzelne erst mit der zweiten Impfung vollständig gegen das Virus geschützt ist, sondern auch deshalb, weil große Gefahren drohten, wenn nicht konsequent und zeitnah eine Zweitimpfung erfolge.
Unverantwortliches Handeln beim Impfen ist ein Spiel mit dem Feuer
„Die Experten sind hier sehr deutlich“, so Kretschmann. „Ohne die zweite Impfung können sich neue Mutationen des Coronavirus herausbilden – und zwar auch solche, die gegen den Impfstoff resistent sind. Und wenn das passiert – dann Gnade uns Gott.“
Die Meldung von Biontech/Pfizer, in den kommenden Wochen nicht so viele Impfdosen wie geplant liefern zu können, war ein Schlag für alle. Aber gleichzeitig zeige dieser bedauernswerte Liefer-Ausfall: „Der baden-württembergische Weg ist richtig. Wir haben vorgesorgt. Wir können weiter wie geplant alle Zweitimpfungen vornehmen. Im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern. Die können das nämlich nicht“, verteidigte Kretschmann das Vorgehen der Landesregierung.
All jene, die in der Tabelle vorne liegen, hätten jetzt ein gewaltiges Problem. Wegen des Impfstoffmangels könnten sie den Menschen keine gesicherten Termine für die Zweitimpfung geben und müssten nun tausende Impftermine verschieben, absagen oder sogar das Impfen komplett einstellen.
„Ganz anders bei uns in Baden-Württemberg: Wir können wie geplant weiterimpfen. Wir halten Termine für die Erst- und Zweitimpfungen ein. Und wir gehen morgen wie geplant mit 49 Kreis-Impfzentren mit mobilen Impf-Teams in den Kreisen an den Start. Und können bei den Hochbetagten in den Pflegeheimen die Impfungen weiter beschleunigen. Das zeigt: Wir liegen mit unserer Impf-Strategie ganz richtig“, unterstrich Kretschmann in seiner Regierungsinformation.
Baden-Württemberg steht daher jetzt schon bundesweit bei den Zweitimpfungen am besten da. Auch hat das Land den größten Anteil geimpfter Menschen über 80 Jahre.
Fragen und Antworten zur erweiterten Maskenpflicht ab dem 25. Januar 2020
Quelle: Baden-Wuerttemberg.de